Erzählerinnen:
Katharina Hörig, Maria Orben, Maria
Schuster, Katharina Hörig (Kleinschelken)
Übersicht Erzählwerkstatt
|

|
Büffelgeschichten aus
Siebenbürgen
Exodus der Tiere am
frühen Morgen
Bis zu unserer Übersiedlung waren bei uns im Dorf fast alle Selbstversorger, nicht nur mit Obst
und Gemüse, sondern auch mit Eiern, Milch und Fleisch. Jede Familie besaß außer Hühnern und Schweinen noch Kühe
und viele hatten auch Ziegen und Büffel. Damit die Tiere tagsüber auf der Weide
fressen konnten, wurden sie morgens von einem Hirten eingesammelt und abends
wieder zurückgebracht. Es gab drei Herden: eine Ziegen-, eine Kuh- und eine
Büffelherde, die alle ihren eigenen Hirten hatten. Ganz früh kam als Erster der
Kuhhirte, der mit einem Peitschenknall
das Signal gab, dass alle Kühe vor’s Tor
gebracht werden müssen. Dann waren die Büffel an der Reihe, die der Hirte durch
Rufen anlockte. Zum Schluss ertönte das Horn des Ziegenhirten,
das die schon ungeduldig wartenden Ziegen aus den Höfen lockte.
Büffel, eigensinnige und schwierige Gesellen
Eigentlich hätten alle Büffel am
Abend auf Anhieb ihren Stall gefunden,
wenn sie das nur immer gewollt hätten. Besonders eigensinnig war der
Büffelbulle, der in unserer Straße wohnte. Der Besitzer wartete allabendlich am
Tor, um seinen Bullen in den Stall zu begleiten, der aber meist wie von der
Tarantel gestochen an ihm vorbei die Straße herauf und heruntergerannt ist.
Warum er seinen Stall so oft verschmäht hat, ist mir nicht bekannt. Vielleicht
wollte er sich einfach nicht von seinen Lieblingsdamen trennen. Jedenfalls sind
auch wir Jugendliche vor dem Tor gestanden und haben versucht, Blickkontakt mit
dem aggressiven Bullen zu bekommen.
Sobald uns dies gelungen ist, wurde es gefährlich. Jetzt hieß es , schnell im
Hof zu verschwinden, um nicht von den langen spitzen Hörnern des Stiers
aufgespießt zu werden. Nervenkitzel pur!
Maria Schuster (Burgberg)
Die Büffel liebten es, in einem Quellabfluss zu baden,
in den auch das Abwasser floss. Wenn sie in das schlammige Wasser eintauchten,
sah man oft nur noch ihre Nasenlöcher und ihre Hörnerspitzen aus dem Wasser
herausragen. Im Gegensatz zu den Kühen, die sehr gutmütig sind, waren die
Büffel äußerst eigenwillig und hatten
nicht immer Lust, auf die Kommandos ihrer
Besitzer zu hören. Ich erinnere mich daran, dass ein Büffel Wagen und Bauer in ein kühles Nass gezogen
hat, da er es satt hatte, schwere Arbeit zu
verrichten, während die anderen Artgenossen faul im Wasser suhlten.
Katharina Hörig (Kleinschelken)
Einmal wollte ich meine Tante
besuchen und hatte mir deshalb mein hübsches rotes Kleid angezogen. Als ich
gerade über die Brücke gegangen bin, kamen mir zwei Büffel entgegen. Sie
schauten mich an und ich schaute sie an, dann rannte ich um mein Leben immer um
die Kirchenmauer herum, die Büffel knapp
hinter mir. Ich weiß nicht, weshalb,
aber plötzlich verloren sie das Interesse an mir und trollten sich. Mein
geliebtes rotes Kleid habe ich nur dann noch angezogen, wenn ich genau gewusst
habe, dass keine Büffel unterwegs waren.
Wir hatten zwei Büffel , eine alte Büffelfrau , Ruschana, und
eine junge, genannt Lori. Lori endete
dramatisch. Sie fraß einen Strumpf, den
Oma auf die Wäscheleine gehängt hatte. Der Strumpf blieb ihr im Halse stecken
und so musste sie eilig und unter großen Qualen notgeschlachtet werden.
Roschana war der Porsche meiner
Mutter, nur von ihr ließ sie sich vor den Wagen spannen und melken. Roschana
war stur, und da sie mindestens 500 kg
auf die Waage brachte, konnte sie sich Respekt verschaffen. Mein Vater oder andere Verwandte hatten jedenfalls keine
Chancen bei ihr.
Aber auch Mutter hatte oft ihre
Plage mit der störrischen Roschana,
manchmal blieb sie mitten auf der Straße stehen, wo sie dann für längere Zeit
eine Pause einlegte. So richtig gefährlich wurde es, wenn Roschana ein Musikinstrument hörte, dann
rannte sie panisch wie ein Rennpferd los
und war nicht mehr zu beruhigen.
Beim Melken hatte jeder Büffel seine Marotten
Frau
Maria Schuster (Burgberg)
Auch das Melken war nicht einfach, jeder Büffel hatte so
seine Marotten. Eines dieser Tiere gab nur Milch, wenn der Bauer beim Melken
seine Schildmütze verkehrt herum aufsetzte, eine andere Büffelfrau wollte ihre
köstliche Milch nur dann spenden, wenn ihr jemand zärtlich den Rücken kraulte.
Ich hatte so großen Respekt vor diesen Tieren, dass ich keines in unserem Stall haben wollte.
Maria Orben
(Großkopisch)
Rosi, unser Büffel, konnte
nur von Vater oder gelegentlich von Kristina, einer hübschen jungen Roma-Frau, gemolken
werden, die in der Nachbarschaft wohnte. Ohne Gesang, keine Milch, war Rosis Motto. Da
ließ Vater sich nicht zweimal bitten,
zumal wir ihn immer auslachten, sobald er im Familienkreis ein Lied anstimmte. „
Rosi, meine liebe Rosi, es hört mich ja niemand. Rosi, meine liebe Rosi, nur du
allein lachst nicht über mich“, hörten wir es oft leise aus dem Stall heraus
klingen. Rosi fühlte sich durch diesen
intimen Sprechgesang geschmeichelt und füllte den Melkeimer. Immer wenn die Mutter in den Stall kam, begann
das Tier an zu brüllen, mit dem Schwanz zu schlagen und kräftig auf den Boden
zu stampfen, was meine Mutter sehr wütend machte.
Eines Tages war Vater zwei Tage unterwegs. Da meine Mutter keine Chance hatte,
das Tier zu melken, bat sie Kristina um Hilfe.
Obwohl die hübsche Roma-Frau von
ihrem grundlos eifersüchtigen Mann wieder einmal grün und blau geschlagen worden war, ging sie in den Stall zur Büffel-Kuh und begann singend über ihren
brutalen Ehemann zu klagen: „ Oh, du elender Mensch, du bist ein Mistvieh, du
bist das Allerletzte, du hast mich geschlagen“.
Während sie so sang, streichelte sie das Tier. Voller Zuneigung hat sich Rosi gedreht und gedreht und sie
haben sich innig in die Augen geschaut. Nie hat Rosi mehr Milch gegeben als an
diesem Tag, als sie von der misshandelten Roma-Frau gemolken wurde. Meine
Mutter hatte jedoch endlich genug von dem Büffel. Sie stellte Vater vor die Wahl: Entweder der Büffel kommt fort-oder ich gehe. Nach dieser massiven Drohung hat Vater es vorgezogen, Rosi gegen eine Kuh
auszutauschen.
Büffelmilch ist eine
Delikatesse
Katharina Hörig (Kleinschelken)
Heute leben in Siebenbürgen
nur noch wenige Büffel. Die Büffelgeschichten geraten in Vergessenheit, und vor allem können die Menschen nicht
mehr erfahren, wie gut der Rahm war, der
sich nach zwei Tagen auf der abgekochten
Milch gebildet hatte. Was
gäbe ich drum, wenn ich diese Köstlichkeit noch einmal genießen könnte!
Weitererzählt von Christel
Banghard-Jöst
|

|
|